
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Frau Landesdirektorin,
verehrte Kollegen Abgeordnete,
meine Damen und Herren,
vielleicht etwas ungewöhnlich an dieser Stelle, aber lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Rede – natürlich auch stellvertretend für meine Fraktion – einen Dank an die Mitarbeiter des LWV aussprechen.
Wir bedanken uns zum einen für die gute Organisation der Haushaltsberatungen und für die Vorlage dieses Haushaltes an sich. Wir wissen, wie viel Arbeit im Vorfeld verwaltungsintern erledigt werden muss, bis dieses umfangreiche Zahlenwerk eingebracht werden kann. Und wie gut und zielführend diese Arbeit war, haben wir daran gesehen, dass im Zeitraum von der Einbringung bis zur letzten Beratung des Haushalts nur marginale Fortschreibungen der Vorlage erfolgten.
Wir bedanken uns aber auch bei allen Mitarbeitern, die die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes im Hause vorbereitet und begleitet haben und nun auch bereits in der neuen Struktur gute Arbeit leisten.
Meine Damen und Herren,
dieser Haushalt steht nun vollends im Zeichen der Veränderungen, welche durch das BTHG hervorgerufen wurden. Allein 41 Mehrstellen im Bereich Fachdienst und im Querschnitt, hier vor allem im Bereich Datenverarbeitung, sprechen eine deutliche Sprache. Bedauerlich ist an dieser Stelle, dass leider wohl immer noch nicht abzuschätzen ist, wie hoch der Personalbedarf im Dezernat 200 sein wird, was für uns an dieser Stelle unverständlich ist. Die Anzahl der aufzunehmenden Fälle steht mittlerweile fest, ebenso die abzugebenden Fälle. Worauf wird also noch gewartet? Offenbar sieht die politische Spitze hier aber doch Risiken in der näheren Zukunft, denn es wurde ja immerhin eine erweiterte Vermögensschadenhaftpflichversicherung abgeschlossen mit einem Jahresbeitrag von etwa 520 TEUR. Ob das den behinderten Menschen oder gar den belasteten Mitarbeitern wirklich weiterhilft, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt.
Auch im finanziellen Bereich spüren wir die Auswirkungen durch das BTHG, wenn auch nicht so deutlich, wie zunächst erwartet. Durch die Aufgabenverlagerungen zwischen unseren Trägern und dem LWV verringern sich unsere Aufwendungen zwar um netto knapp 96 Mio €, der Umlagebedarf dagegen sinkt aber nur um knapp 34 Mio €. Dies macht für uns 2 Sachverhalte sehr deutlich: In kurzer Zeit werden unsere Aufwendungen, bedingt durch die Fallzahlzuwächse, wieder auf dem Niveau vor dem BTHG liegen. Zum anderen, und das ist für uns fast noch entscheidender, werden die Trägerkommunen in keinster Weise entlastet. Im Gegenteil: Sie werden durch das BTHG mit diesen knapp 96 Mio € mehr belastet, und das ohne einen Ausgleich durch das Land. Und sie werden durch unseren steigenden Bedarf über die abzuführende Umlage auch wieder belastet werden.
Für uns ist es daher kein Erfolg oder gar ein Beweis für eine gute Arbeit, wenn die Richtschnur dafür einzig der Hebesatz der LWV-Umlage ist. Ja, es ist richtig: Ein Hebesatz von 9,902 % ist ein historisch niedriger Wert. Aber, meine Damen und Herren, wenn die Umlagegrundlagen steigen, und unser Bedarf dann etwas weniger stark, aber immer noch steigt, dann ist es eine mathematische Selbstverständlichkeit, dass der Hebesatz sinkt, und noch lange kein Beweis für eine erfolgreiche Arbeit.
Dasselbe trifft ein Stück weit auch auf unsere Ergebnisplanung zu. Wir planen mit einem Fehlbedarf von 57,2 Mio €. Diesen Fehlbedarf wollen wir durch Entnahmen aus den Rücklagen decken. Oder, wie es Herr Beigeordneter Schütz in seiner Etatrede ausdrückte, „Wir geben der kommunalen Familie so viel und so schnell die Mittel zurück, wie es geht“. Doch ist dieser Einsatz von Rücklagen tatsächlich ein Erfolg? Woher kommen denn diese Rücklagen, wenn nicht von der kommualen Familie, die in Vorjahren evtl. mehr geleistet hat, als wir an Bedarf hatten?
Meine Damen und Herren, schauen wir dazu einmal in die zurückliegenden Haushalte.
In 2019 haben wir mit einem Defizit und Entnahme aus den Rücklagen in Höhe von 25,2 Mio € geplant. Der aktuelle Controllingbericht weist dagegen, selbstverständlich vorbehaltlich der Testierung durch die Revision, eine Ergebnisverbesserung von 30,74 Mio € aus.
2018 wurde mit einem Fehlbedarf von 14,8 Mio € geplant. Hier werden wir voraussichtlich bei einem Überschuss in Höhe von gut 35,7 Mio € landen.
Diese Zahlenreihe könnte ich für die Jahre 2017 und 2016 mit einem ähnlichen Ergebnis fortsetzen: Wir planen mit einem Verlust, den wir aus Rücklagen ausgleichen wollen, und kommen am Ende doch so deutlich im plus heraus, dass wir die Rücklagen eher noch erhöhen müssen, als sie abschmelzen zu können. Insofern vermag meine Fraktion nicht zu erkennen, wie wir hier etwas an die kommunale Familie zurückgeben. Im Gegenteil. Wir enthalten ihr sogar Mittel vor.
Und diese Mittel bleiben regelrecht bei uns hängen und erhöhen den Zitat „cash“. Meine Damen und Herren, dieser Begriff ist in den zurückliegenden Beratungen, insbesondere im Haushalts- und Finanzausschuss, mehrfach gefallen.
Cash bedeutet in der Sprache der Finanzwelt salopp gesagt so viel wie Bargeld. Nimmt man es etwas genauer, dann werden darunter Teile des Umlaufvermögens, also Bargeldbestände, Bankkonten sowie kurzfristig verfügbare Finanzanlagen verstanden. Und wir planen mit diesem Haushalt das Jahr abzuschließen mit einem Bestand an Zahlungsmitteln in Höhe von 289 Mio 322 T 854 €. Oder aber wieder salopp ausgedrückt: Am 31.12.2020 haben wir voraussichtlich gut 289 Mio € cash.
Und hierin sind die Mittel der Ausgleichsabgabe, bzw. die Überschüsse aus der Erhebung der Ausgleichsabgabe, noch gar nicht enthalten. In 2020 erheben wir gut 6 Mio € mehr an Ausgleichsabgabe, als wir wieder für Integrationsmaßnahmen oder Ähnlichem ausgeben werden, so dass auch hier der Bestand an liquiden Mitteln, oder aber der cash, auf dann gut 140 Mio € anwachsen wird. Geld, dass wir der hessischen Wirtschaft entziehen, und zwar deutlich mehr, als wir wieder zurückgeben. Freut das auch einen Liberalen? Uns als mittelstandsfreundlicher Partei freut das jedenfalls nicht. Trotz aller Wichtigkeit dieses Instrumentes der Ausgleichsabgabe, so muss man angesichts dieser Zahlen doch darüber nachdenken, ob die Art und Weise, wie sie erhoben wird, immer noch zeitgemäß ist. Doch dieses Problem können wir nicht hier in diesem Parlament lösen.
Aber wir können uns unserem Problem, dem hohen Bestand an cash, widmen. Und wir müssen uns auch dieses Problems annehmen, meine Damen und Herren, denn in Zeiten von Negativzinsen ist dieser hohe Bestand an liquiden Mitteln unverantwortlich unseren Trägern und den Kommunen gegenüber.
Wie auf in Beantwortung auf unsere Anfrage vom August 2019 mitgeteilt wurde, entstanden dem Verband im Zeitraum von Oktober 2016 bis Juli 2019 Negativzinsen in Höhe von insgesamt 548 TEUR. Für das Jahr 2020 werden im Bereich Zitat „Zinsen für Liquiditätsbestand“ mit Zahlungen von 450 TEUR geplant. Dabei ist es für uns völlig unerheblich, ob diesen Negativzinsen Zinserträge aus Geldanlagen gegenüberstehen, so dass unter dem Strich noch etwas hängen bleibt.
Fakt und für uns entscheidend ist allein der Umstand, dass der Verband Negativzinsen zahlen muss. Natürlich brauchen wir einen gewissen Liquditätspuffer, aber vor diesem Hintergrund muss der Puffer auf ein absolut notwendiges Mindestmaß heruntergefahren werden.
Von daher begrüßen wir es zwar, dass mit der neuen Veranschlagungsart der jährlichen Finanzzuweisung zur Finanzierung von Investitionen ein erster Schritt in dieser Richtung unternommen wurde. Aber das kann aus unserer Sicht nur der Beginn eines Prozesses sein.
Eine weitere Möglichkeit, diesen Bestand sinnvoll abzuschmelzen, hatten wir mit unserem Antrag zur Förderung des barrierefreien Umbaus der Haltestellen im ÖPNV eingebracht.
Bis zum 01.01.2022 müssen gesetzlich geregelt alle Haltestellen in Deutschland (§ 8 Abs. 3 PBefG) vollständig barrierefrei sein. Der Bund stellt für dieses Unterfangen konkret keine flächendeckenden Gelder zur Verfügung, da diese Aufgaben per se in die Zuständigkeit der jeweiligen Kommunen fallen.
Die Verkehrsverbünde übernehmen zwar die Planungskosten. Das Land Hessen unterstützt die Kommunen und Kreise bei den Umbauten auch über das Hessische Mobilitätsfördergesetz, doch die Zuschüsse decken leider nur maximal 85 % der Kosten, welche den Kommunen im Rahmen der Umbauarbeiten der jeweiligen Haltestellen entstehen. Obwohl die Städte und Gemeinden also ein Bundesgesetz umsetzen müssen, erfolgt kein vollständiger Ausgleich der finanziellen Belastung, weder durch den Bund noch das Land.
In unseren Augen sieht gelebte Konnexität anders aus!
Der LWV Hessen erfüllt finanziell, wie auch personell als Träger der Eigliederungshilfe und Umsetzungsbehörde des BTHG mannigfaltige soziale Aufgaben und hilft damit behinderten Menschen immer besser und freier, überörtlich und qualitätsgesichert, am alltäglichen Leben, trotz ihres Handicaps teilnehmen zu können, als hätten diese keines.
Insbesondere die Sozialraumorientierung haben wir als Verband dabei im Blick. Mit dem in unserem Antrag dargestellten Förderpaket für die Kommunen trägt der LWV Hessen genau dazu bei, und gibt gleichzeitig überschüssige Liquidität dorthin zurück, wo sie über die Kreisumlage für den LWV-Haushalt erhoben wird. Es entsteht eine Art Win-Win Situation.
Mit einem Förderprogramm aus dem Hause des LWV geben wir also ein Stück der Umlage sichtbar zurück an die Kommunen, eine Stärkung des Vertrauensverhältnisses tritt damit sozusagen sofort und direkt ein. Und wir als Verband schmelzen unseren cash-Bestand wieder ein Stück weiter ab.
Die Veranschlagung analog der eben bereits erwähnten Weise der Finanzzuweisungen wäre aus unserer Sicht auch problemlos, insbesondere vor dem Hintergrund der geschilderten Begründung dafür, möglich gewesen.
Dass man an diesem unseren Antrag nur schwerlich etwas Schlechtes finden kann, war uns im Vorfeld bereits klar. Genauso wie die von ihnen zu erwartete Ablehnung. Die Begründung für ihre Ablehnung hat uns aber dann doch überrascht.
Für die Koalition sprach Herr Müller schmale 3 – 4 Sätze. Die Kernaussage war, dass es keinen Sinn mache, erst Mittel bei den Kommunen zu erheben und dann wieder dorthin zurückzugeben.
Verehrter Herr Müller, wenn dem denn so wäre, dann würde auch die Erhebung von Steuern keinen Sinn machen. Und sind Sie nicht im Landkreis Offenbach hauptamtlicher Beigeordneter, dem die Finanzabteilung untersteht? Geben Sie ihren kreisangehörigen Kommunen nicht auch etwas von der Kreisumlage zurück? Sei es durch Förderprogramme, Investitionszuweisungen oder Ähnlichem? Warum macht so etwas in ihrem Kreis Sinn, hessenweit beim LWV aber nicht?
Daher halten wir an dieser Stelle fest, Sie, lieber Herr Müller, zahlen lieber Negativzinsen an die Banken, als die den LWV tragende kommunale Familie zu entlasten. Eine Sichtweise, die uns gelinde gesagt nicht verwundert, von einem Kämmerer, in dessen Bilanz das Eigenkapital deutlich und lange auf der Aktivseite steht.
Verwundert waren wir aber dann doch über die Ablehnung unseres Antrages der Damen und Herren aus Fraktion Die Linke. Sie haben sich hier schon mehrfach um die Sozialraumorientierung bemüht, sie strengen sogar einen eigenen Fachbereich dafür an.
In unserem Antrag geht es um nichts anderes als um die Verbesserung des Sozialraumes. Und dennoch lehnen Sie unseren Antrag ab. Sie stellen also ihre parteipolitischen Befindlichkeiten über das Wohl der behinderten Menschen. Mit dieser Denkweise sind sie hier am fehl am Platz, liebe Kollegen der Linken.
Doch zurück zu unserem eigentlichen Problem, der hohen Liquidität. Rückblickend betrachtet, wäre es aus unserer Sicht ein leichtes gewesen, mit einem Teil dieses Geldes die Wohrateiche zu erhalten und die Dämme zu ertüchtigen. Es wäre wirtschaftlicher gewesen, zu investieren, als Geld durch Negativzinsen abfließen zu lassen. Und es wäre verantwortlich gewesen gegenüber unserer Standortkommune. Natürlich, das Verhalten der Bürgerinitiative ist durchaus kritikwürdig. Aber letzten Endes haben sie sich auch nur für den Erhalt eines Teils ihrer liebgewonnenen Heimat eingesetzt, der nahezu drei Generationen von Hainaern Bürgern lieb und vertraut gewesen war.
Meine Damen und Herren,
ich komme nun zum Schluss meiner Rede. In der Vergangenheit haben wir als AfD-Fraktion immer betont, dass unser Haushalt zwei Adressaten hat: Die behinderten Menschen und unsere Trägerkommunen. Beiden müssen wir gerecht werden. Die Belange der Trägerkommunen werden aus unserer Sicht durch die zu ihren Lasten erfolgende Umverteilung der Wirkungen aus dem BTHG nicht ausreichend berücksichtigt. Wir könnten deutlich mehr aus unseren Rücklagen einsetzen, um das Aufkommen aus der LWV-Umlage zu reduzieren. Gleichzeitig schaffen wir es nicht, die hohe Liquidität deutlich zu reduzieren.
Wir lehnen daher diesen Haushalt ab. Vielen Dank.